Mali | Christ sein in einer islamischen Mehrheitsgesellschaft

Heute habe ich in einer Vorlesungspause meinen Studenten an der FATMES die Frage gestellt: „Wie erlebt ihr als Christen und Gemeinden in der Minderheit, die islamische Dominanz in der malischen Gesellschaft?“

Die folgenden Antworten und Gedankensplitter habe ich notiert:

  • Wir beobachten eine starke Diskriminierung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz, besonders bei der Vergabe von gutbezahlten Jobs in der Wirtschaft und Verwaltung. 
  • Die Laizität, d.h. die von der Verfassung garantierte Trennung von Politik und Religion wird von Islamverbänden und Imamen unterlaufen. Die politischen Entscheidungsträger oder Beamte in der Verwaltung treffen ihre Entscheidungen ... ... zugunsten von Muslimen oder handeln im kollektiven Interesse des Islam mit dem Verweis auf die Mehrheitsverhältnisse- z.B. bei der Vergabe von Grundstücken an die Gemeinde oder bei Prozessen vor Gericht. Dabei kommt es logischerweise zu einer starken sozialen und rechtlichen Benachteiligung von Christen und Gemeinden. Diese Erfahrung spiegelt das, was Christen und Juden im Laufe der islamischen Eroberungsgeschichte als Minderheit erlebt haben. Sie werden geduldet, sind also sog. Schutzbefohlene (dhimmi) der islamischen Mehrheit. Sie werden nicht unterworfen oder zwangskonvertiert, aber sie haben soziale und wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Sie sind Bürger zweiter Klasse. 
  • Christen werden bei öffentlichen Empfängen und Festen in den Stadtvierteln bewusst gemieden. Jedoch gibt es einmal im Jahr einen Empfang im Präsidialpalast, wo auch Christen zu Wort kommen. Außerdem sind Christen gemeinsam mit Muslimen in einem Gremium vertreten, das Regierung und Präsident berät.
  • Gibt es einen sozialen oder politischen Notstand (Attentate, Regenzeit), dann werden Moscheen und Gemeinden seitens der Regierung zum Gebet aufgerufen und zum Dank mit materiellen Zuwendungen bedacht - von denen natürlich die Muslime in einem viel größere Maße profitieren.
  • In den öffentlichen Medien (Radio, TV) erhalten Christen zwar Sendezeit, sie fällt jedoch insgesamt um ein Vielfaches geringer aus als die der Muslime. Islamische Gelehrte dominieren Talksendungen und nutzen diese zur Verbreitung ihrer Sache aus.
  • Christen werden als Kaffer bezeichnet. (Der Begriff kommt aus dem Arabischen und bezeichnet Ungläubige, im westlichen Kontext auch mit rassisitschem Unterton). Kaffer gehören als Ungläubige nicht zum „Haus des Islam“, sie werden zwar geduldet, haben aber keinen Anspruch auf Respekt und Wohlwollen seitens der islamischen Mehrheit. 
  • Bei Beerdigungen werden Christen aufgrund der unterschiedlichen Haltung beim Gebet schief angesehen und isoliert. 
  • Da Christen sich an Sammlungen zur Durchführung öffentlicher Opferhandlungen für Götter und Ahnen nicht beteiligen, was in Mali wegen des verbreiteten Volksislam durchaus üblich ist, werden sie gemieden. Ihnen wird der Vorwurf gemacht, das Glück der Gemeinschaft aufs Spiel zu setzen. 
  • Es gibt keine Probleme im Umgang mit den Nachbarn. Hier gilt, dass jeder auf jeden angewiesen ist und deshalb gute Kontakte im Interesse aller sind. 
  • Durch den Aufbau freundschaftlicher Beziehungen, selbst zwischen Pastoren und Imamen, lassen sich Brücken bauen und die übliche Meidungsstrategie der Muslime (Wala) überwinden. 
  • Christen in Mali haben ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Islam. Für sie steht fest: Der Islam und seine Vertreter versuchen ein gesellschaftliches System aufzubauen, wo sie dominieren und herrschen können. Das entspricht der Mentalität des Propheten Mohammed. Jesus dagegen ist gekommen, um zu dienen und nicht, um eine politische Weltherrschaft aufzubauen. Muslime nutzen ihre Mehrheitsposition aus und missbrauchen ihre Macht zuungunsten der christlichen Minderheit. 
  • Imame erteilen muslimischen heiratswilligen Männern den Rat, christliche Frauen zu heiraten. Männer bestimmen in der malischen Gesellschaft die Religion der Familie. Dadurch steigt der Einfluss des Islam. 
  • Die gleiche Strategie verfolgen, so meine Gesprächspartner, auch viele der muslimischen Migranten aus Afrika in Europa. Durch die Heirat einer europäischen Frau erreichen sie mehrere Ziele: ihr ziviler Aufenthaltsstatus wird geklärt, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse verbessern sich und sie verhelfen dem Islam zu mehr Einfluss. 
  • Kinder aus christlichen Familien werden in der Schule gemobbt. Bei Kritik und Gegenwehr beziehen sie eine Tracht Prügel und werden noch mehr gemieden als vorher. 
  • Im Vorfeld von Wahlen versuchen islamische Politiker und Kandidaten über Pastoren Einfluss auf die christliche Gemeinde zu nehmen – auch durch Bestechung, was angesichts der ärmlichen Verhältnisse vieler Pastorenfamilien durchaus eine Versuchung ist. 
  • In Mali verstehen Christen nicht, dass westliche Hilfsorganisationen und westliche Regierungen von Muslimen beantragte Projekte mehr fördern als die der Christen. Dass dies eine Art Befriedungspolitik sein könnte, um radikale islamistische Kräfte zu stoppen, die oft aus arabischen Staaten finanziert werden, wird meist nicht verstanden und nachvollzogen. Wenn der Westen christlich geprägt ist, dann sollten in erster Linie Christen unterstützt werden. Es sind doch genau diese Muslime, die uns als Christen in Mali klein halten. Ihr Einfluss steigt, mit Unterstützung westlicher Länder, und unser Einfluss nimmt ab. 
Einer unserer Pastorenkollegen aus Bamako fügt hinzu ...
  • Wir werden von unserem muslimischen Nachbarn als minderwertige Personen angesehen. Ein tieferes Gespräch habe ich seit 25 Jahren mit ihm nicht geführt. 
  • Mein Nachbar zur linken grüßt uns nur, wenn er etwas benötigt - Geld, Medikamente oder das Gemeindeauto zum Transport. 
  • Vor einigen Jahren hat er ein Schaf getötet und es in einer Nacht- und Nebelaktion aus Abneigung gegenüber der christlichen Religion und uns Christen und als Zeichen des Fluches vor unserem Gemeindehaus begraben.
  • Wer kein Muslim ist, der bekommt in Mali schwerlich ein Bein auf die Erde. 
  • Die sogenannte Toleranz ist eher eine "demütigende Duldung" als ein Ausdruck rechtsstaatlicher und verfassungsmäßiger Anerkennung einer religiösen Minderheit, die ihren eigenen Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft leisten kann. Christen "werden durchgewunken", weil von ihnen sowieso keine ernsthafte Gefahr ausgehen kann. Der Islam ist in Mali sehr dominant, und so soll es nach Ansicht der Muslime auch bleiben. Der Einfluss der Christen muss gering gehalten werden.
  • Wenn Muslime Christen wegen ihres Engagements Komplimente machen, dann ist das meist eine zweischneidige Sache. Einige meinen es durchaus ernst. Doch andere schmieden hinter dem Rücken von uns Christen Pläne gegen uns, und in unserer Gegenwart tut man so, als ob wir geschätzte Leute seien. Das macht uns vorsichtig.
Die Flüchtlingsproblematik in Deutschland wird auch in Mali wahrgenommen und ambivalent bewertet. Dazu die folgenden Gedanken:
  • Auch in Mali wird von vielen Christen die Sorge artikuliert, dass Europa und damit das europäische Christentum durch eine „schleichende Islamisierung“ untergraben werden könnte. Auch für die Muslime in Europa gilt, dass sie langfristig einen dominanten Einfluss ausüben möchten. 
  • Europäer wissen nicht, was es bedeutet als Christ in einer muslimischen Mehrheitsgesellschaft zu leben. Wenn sie es wüssten, würden sie die Migration von Muslimen nach Europa stoppen. 
  • Andererseits wird lobend hervorgehoben, dass sich insbesondere Deutschland vorbildhaft um Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten kümmert, egal welcher Religion sie angehören. 
  • In der Migrationsbewegung nach Europa wird auch die "Hand Gottes" wahrgenommen, der den Christen im Westen die Möglichkeit schenkt, ihren Glauben Muslimen gegenüber zu bezeugen. 

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