Bamako | der Tag nach der Attacke

Gestern Abend gab es eine erneute terroristische Attacke auf ein Hotel in der malischen Hauptstadt Bamako, westlich von uns, in dem vorwiegend europäische Militärs untergebracht sind. Ihre Aufgabe besteht in Mali darin, malische Soldaten auszubilden. Kurze Zeit später. Eine SMS der Deutschen Botschaft in Bamako leuchtet auf dem Display auf. Die übliche Sicherheitswarnung: Leute, es ist was passiert. Lauft nicht draußen rum. Verbarrikadiert euch. Nun gut …

Wir recherchieren im Internet. Der Live-Ticker von RFI (Int. Franz. Radio) läuft bereits. Die malischen Nachrichtenagenturen hängen hinterher. Auch die abendliche Nachrichtensendung im staatlichen Fernsehen wird nicht unterbrochen. Immer weiter im Takt.

Im Vergleich zu dem Anschlag vor ein paar Monaten, ging es diesmal glimpflicher ab. Einen Toten gab es. Wer wild um sich schießt und Unschuldige attackiert,
der muss mit Gegenwehr rechnen. Risiko. Alah uh Akbar. Verschleiß des Terrors. Sorry – aber es hat diesmal den richtigen erwischt. Einer der Angreifer kam ums Leben. Des Weiteren nur Sachschaden. Keine Verletzten unter den Hotelgästen. Ein oder zwei seiner Kumpels sind noch auf der Flucht. Die malische Polizei ermittelt. Verhöre. Verdächtige zwar, aber noch keine konkreten Anhaltspunkte. Mit dem Schrecken davon gekommen. Luft anhalten. Und zwischen den Zeiten herrscht die Angst. Der nächste Anschlag kommt bestimmt!?

Heute Morgen nimmt das Leben in der malischen Hauptstadt seinen normalen Gang. Gewusel auf den Straßen. Händler. Motorräder im dichten Straßenverkehr. Wir machen uns auf. Bei frischen 30 Grad. Es ist knapp vor neun. Unser Ziel ist der Park am anderen Ende der Stadt, wo wir zweimal die Woche unsere Runden drehen und uns sportlich betätigen.

Kurz vor der Abfahrt. Unser Smartphone meldet, dass es in Brüssel gekracht hat. Explosionen am Flughafen. Absperrungen. Eine weitere Attacke auf eine Metrostation. Verletzte. Tote. Anderswo. Terror nach dem Terror – am Tag danach.

Strategie der Angst. Assymetrie. Bomben - mal in Taschen, mal in Tonnen und des Öfteren auch im Gürtel an der Hüfte. Bamako. Ouagadougou. Abidjan. Nochmal Bamako - Paris. Istanbul. Brüssel. Hallo, wir sind es, die vom IS, die kleinen Brüder von Al-Qaida&Co.! Wer unsere Kumpels festnimmt, dem fliegen die Glassplitter woanders um die Ohren. Zieht euch warm an.
Tod und Schrecken. Unser Beileid.
Wenn es in Paris knallt oder in Brüssel, dann läuft das Netz heiß: praying4 #X. We stand for those in #Y. Hisst die virtuellen Flaggen. 
Die Schreie des Entsetzens werden leiser, je weiter weg das Unglück zuschlägt. Globales Schicksal ade! Die Welt, das große Dorf, wird wieder klein. Auch das ist Alltag am Tag danach.

Zurück nach Mali. Wir tasten uns durch die Stadtviertel. Wir schauen in die Gesichter am Straßenrand. Ko bè di? Wie schaut’s aus? Dò kèra wa? Ist was passiert? - signalisieren sie uns zurück. Die Ereignisse des gestrigen Abends stören die Damen am Straßenrand weniger, die mit reichlich Gelassenheit Fettbällchen in ihren Töpfen zubereiten und ein paar Meter weiter Mangos feilbieten.

Wir biegen in die Straße zum Park ein. Das Militär ist vor Ort – wie immer. Bewaffnet mit MG und Sonnenbrille und schusssicheren Westen. Wir halten an, sagen, wo wir hin wollen. Lachen. Durchwinken. Militärischer Gruß. Salute.

Am Eingang zum Park werden wir nicht einmal durchsucht. Keiner will wissen, ob wir vielleicht eine Granate in unserem Rucksack mit uns führen. Nur das übliche Eintrittsgeld knöpft man uns ab. Grüßen in Bambara.

Im Schatten eines Baums steht ein Stuhl. Auf ihr sitzt eine junge Frau in Uniform. Sie ist eine Angestellte des hiesigen Wachdienstes. Blaue Hose. Weißes Hemd mit einem aufgestickten Logo ihrer Firma. Pfeife in der Tasche und Mütze auf dem Kopf. Ohne Zweifel. Ein 
Profi. Aus ihrem Ohr baumelt ein Kopfhörer. Ihr Blick ist gesenkt. Ihre Finger betätigen flink die Tastatur ihres Smartphones. Auf dem Sitz neben ihr steht eine Kunststofftasche, ein Leopardenimitat. Schlagstock, keiner in Sicht. Wachpersonal – so, so. Unser Gruß verhallt im staubigen Wind. Auf der nächsten Runde hat sich ihr Körper allmählich abgesenkt und der Kopf der Dame liegt sanft auf ihrer linken Schulter. Nickerchen mit Kopfhörer im Ohr. 

Gelassenheit – am Tag nach der Attacke. Auch wir sind gelassen, aber sicher fühlen wir uns beim Anblick der Sicherheitsprofis nicht.

Draußen vor dem Tor sitzt ein bewaffneter Soldat auf seinem Eisenstuhl. Die Beine über Kreuz geschlagen. Die Kalaschnikov lehnt lässig am rechten Oberschenkel. Er dreht sich um. Alles ruhig, Kollege. Wir gehen weiter.

Auf dem Parkplatz quellen aus einem Bus eine Horde von Kleinkindern, denen wir auf der nächsten Runde begegnen. Eine der Klassen, eine Gruppe von 20 schuluniformisierten Kindern wird von fünf in bunten Kleidern daherschlendernden Damen begleitet. Lautschallend
geben sie ihre Anweisungen weiter. Asseyez-vous les enfants. Setzt euch auf den Rasen, Kinder. Jeder bekommt was zu trinken. Auch dieser Gesellschaft ist nichts von Unruhe anzumerken. 
Gelassener Alltag - am Tag nach der Attacke.

Wir fahren zurück. Die Temperatur ist auf 39 Grad geklettert. Es ist viertel nach elf.
Wir werden uns weiter vorsichtig von X nach Y bewegen. Gelassen bleiben und noch ein wenig vorsichtiger sein.

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