Tenenkou| Der Traum vom Gottesreich im Macina lebt

Ausbreitung des Gottesreiches um 1830
Quelle: http://fr.wikipedia.org/wiki/Empire_du_Macina
Seit Monaten kursieren die Gerüchte. Der Traum von der Auferstehung des von Sekou Amadou & Co. beherrschten islamischen Gottesreichs im Macina (1819-1862) lebt. Das Gebiet in der Region Mopti war im 19. Jh. vor der Kolonialisierung durch Frankreich eine Theokratie (Kalifat), die durch den Clan der Barry (Volksgruppe der Peulh) ins Leben gerufen wurde. Es erstreckte sich von Mauretanien über Timbuktu und Mopti bis ins Land der Mossi (Burkina Faso). Die Peulh aus Fouta Toro haben sich seit dem 14. Jh. im Norden des heutigen Senegal niedergelassen und dann weiter nach Osten in den heutigen Sahel ausgebreitet. Der Clan der Dicko war Anfang des 19. Jh. zunächst dominierend. Sekou Amadou vom Clan der Barry gelang es aus seinem Exil heraus, die Muftis von Djenne anzugreifen (1818), die ihrerseits vom Bambarakönig in Segou unterstützt wurden. Sein Sieg führte dazu, dass er 1819 den Heiligen Krieg ausrief und den Bau der berühmten Moschee in Djenne anordnete. Das neue Gottesreich nannte er Diina (Glaube an den Islam) und teilte es in fünf Regionen. Um sie zu verwalten berief er militärische und religiöse Führer. Sekou Amadou gründete zudem seine neue Hauptstadt in der Region Mopti und nannte sie Hamdallaye (dt. Gotteslob), von der heute nur noch die Ruinen existieren. Hamdallaye zählte in seiner Blütezeit 300.000 Einwohner, die in 60 verschiedenen Stadtvierteln wohnten. Ein Wall von 5.600 Metern Länge wurde zum Schutz der Stadt errichtet. Neben den Wohngebieten und dem Herrscherhof ließ Sekou Amadou eine große Moschee errichten. Heute steht an dem historischen Ort ein eher schmuckloses Gotteshaus. Von der großen Stadt sind nur noch einige Lehmhäuser an der Nationalstraße übriggeblieben. Auf dem Weg zum ehemaligen Palast begegnen uns Hirten mit ihren Tieren. Am Rande stehen armseilige Hütten aus Stroh. 
Der ehemalige Palast ist heute ein traditionsträchtiger Pilgerort. Ein kleines Metalltor steht offen. Dahinter zeigt sich eine mehr oder weniger komplette Steinmauer, die die Größe des Herrscherhofes erahnen lässt. Auch die Gräber der zur Herrscherdynastie gehörenden Barrys und deren Verwalter sind noch vorhanden. Bei unserem Besuch Ende März trafen wir einige Gläubige, die betend vor den Mausoleen knieten. In der malikitischen Tradition ist dies üblich, bei den radikalen Sunniten aber eher verpönt, was die Zerstörung der Mausoleen in Timbuktu durch extremistische Salafisten in den Jahren 2011 und 2012 gezeigt hat.
Hamdallaye befindet sich zwischen Mopti und Djenne in der Nachbarschaft von Soufouroulaye, wo wir Anfang der 1990er Jahren eine Gemeinde gegründet haben. Der Hangar im großen Herrscherhof zeigt noch heute den Platz, wo sich der große Rat (40 religiöse und militärische Berater) zusammenfand. Im Laufe der Herrschaft wurden Koranschulen eingeführt, ebenso die Scharia nach malikitischer Lesart. Alleine in Hamdallaye gab es 750 Koranschulen.
Die malikitische Rechtsschule wurde seit dem 8. Jh. entwickelt und ist bekannt dafür, der eigenen Rechtssprechung und religiösen Praxis mehr Raum zu gewähren als es die traditionelle Hadith vorsieht. Offiziell sind Malikiten muslimische Sunniten, die ihre Sunna auf die Kultpraxis im alten Medina zurückführen, die aber von der des Propheten hier und da abweicht.  
Zurück ins 19. Jh. ... Die Peulh forderte Sekou Amadou auf, sich sesshaft zu machen und das traditionelle Nomadentum aufzugeben. Die übrigen Volksgruppen wurden ins System integriert, Opfer des Heiligen Krieges oder zu Dienern (rimmaybe) der herrschenden Peulh erklärt und für die Viehzucht und Landwirtschaft „verwendet“.

Im Jahre 1844 starb Sekou Amadou, der Begründer des Reiches. Sein Sohn Amadou Sekou und später sein Enkel Ahmadou Ahmadou folgten ihm an der Spitze des Gottesstaates. Das Reich überlebte bis zum Jahr 1862. Die Armee von El Hadj Oumar Tall, einem Anführer der Tukuleur, war zu stark. Das Gottesreich von Macina ging unter. Doch die Erinnerung an die Herrschaft der Peulh lebt. 

Seit 2014 gibt es offiziell eine "Bewegung zur Befreiung des Macina". An deren Spitze steht (bzw. stand) ein islamistischer Prediger namens Hammadun Koufa aus Niafunke (Stadt südl. von Timbuktu). Während des Vorrückens der Rebellen auf Konna Anfang 2013 ist er in einer Moschee in Erscheinung getreten, um offiziell die Theokratie auszurufen. Das war wohl ein wenig zu früh. Franzosen und alliierte Truppen haben dieses Vorhaben vorerst gestoppt.
Einige sind der Meinung, dass Hammadun Koufa schon bei den Kämpfen um Konna im Januar 2013 umgekommen sei. Andere sagen, er halte sich im Macina oder im Grenzgebiet zu Mauretanien versteckt. Wie dem auch sei … seine Anhänger engagieren sich im Kampf um die Auferstehung der Diina von Macina. Ihnen wird die Beteiligung bei den jüngsten Attacken auf Tenenkou und der Bedrohung der Nachbarstadt Dialobe nachgesagt. Sie fordern die Rückkehr zur „alten Ordnung“ – zum islamistischen System des Gottesreiches von Macina. Die Gegend wird von den malischen Sicherheitskräften vernachlässigt und bietet daher einen idealen Rückzugsort für Banditen und Islamisten.
Zurzeit scheinen die islamistischen Ambitionen in der Gegend noch ein Traum und ein großes Abenteuer zu sein. Es wird von der malischen Zentralregierung abhängen, ob es ihr gelingt, die Region abzusichern und die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass ein islamistischer Staat in Mali keine Zukunft hat. 

Für an der Historie Malis interessierte Menschen ist die Geschichte des peulhschen Gottesstaates und die Verbindung zu der heutigen Bewegung um Koufa ein interessantes Kapitel. 

Literatur zum Thema:
L'empire peul du Macina, 1818-1853, von Amadou Hampâté Bâ und Jacques Daget, erschienen in Nouvelles Editions Africaines
Un empire peul au XIXe siècle. La Diina du Maasina, von Bintou Sanankoua, erschienen bei Karthala ACCT.

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