Paris | Menschlichkeit gegen fanatische Religiosität

Seit gestern kursiert in der französischen Presse die Geschichte eines jungen Helden aus Westafrika. Die Rede ist von Lassana. Ausgerechnet ein Malier aus einem mehrheitlich islamisch geprägten Land rettet im westlichen Frankreich Kunden des jüdischen Geschäfts Hyper Cacher in Vincennes, das gestern im Kontext des Anschlags auf Charlie Hebdo Schauplatz von Schießereien und Geiselnahme war, das Leben. Lassana ist ein Angestellter des Ladens und kannte sich gut im Gebäude aus. Er hat blitzschnell reagiert und einige Personen, darunter einen Vater mit einem 3-jährigen Kind, in einem Kühlraum im Keller des Hauses versteckt und sie so vor dem Zugriff des Terroristen bewahrt. Die Presse berichtet von ca. 15 Personen, die sich im Keller des Hauses versteckt hielten. Aus dem Kühlraum sollen sie mit der Polizei telefonisch in Kontakt getreten sein. Über den Übergriff der Polizei und die Befreiungsaktion sind sie auf diesem Weg informiert worden. Der Terrorist war einer der Komplizen der beiden Brüder, die den Anschlag in Paris verübt hatten. Er und vier weitere Personen, die sich im Geschäft aufhielten kamen im Zuge der Schießereien ums Leben. Lassana hat überlebt und wird heute als Held gefeiert. 
Diese fast zufällig erscheinende Geschichte, die sich mitten in der Hektik von Schießereien und Verfolgungsjagden abspielte, hat etwas Paradoxes. Sie macht nachdenklich. Ein Westafrikaner, der unter den Einfluss radikaler Islamisten geriet und sich von Al-Qaida vereinnahmen lässt, verübt im Namen seiner Religion Attentate und nimmt Geiseln. Die Rede ist von dem Islamisten Ahmedy Coulibaly. Ein anderer Westafrikaner aus Mali, ein einfacher Muslim, der den ärmlichen Umständen seines Heimatlandes entflieht und als Fremder in Frankreich arbeitet, gerät zwischen die Fronten, reagiert blitzschnell als ein couragierter Mensch und rettet wildfremden Menschen das Leben. Das, was Lassana getan hat, war ein natürlicher Ausdruck purer Menschlichkeit. 
Mit seinem mutigen Handeln schickt er jeden religiösen Fanatiker und Fundamentalisten, ob Christen oder Muslime, aber auch die aufgeklärten Atheisten mit ihren Halbwahrheiten über Glaube und Religion, die scheinbar gut informierten Journalisten und die kläglich argumentierenden Facebook-Aktivisten in die Wüste. 
Lassana handelte einfach als Mensch, nicht als distanzierter Kritiker, nicht als Ideologe, nicht als Religiöser. 
Menschlichkeit gegen fanatische Religiosität. Blitzschnelle Intuition gegen verbissene Ideologie. Individuelle Handlung gegen kollektive Vereinnahmung. Ich glaube, wenn wir anderen Menschen mit unserer religiösen Haltung begegnen wollen, dann müssen wir zuallererst  Menschen werden. Wir müssen das werden, was wir in den Augen Gottes zunächst und zu allererst sind – Menschen. Das gilt für Muslime und Christen. Jesus Christus hat uns den göttlichen Vater als Mensch nahe gebracht. Jesus hat keine trennenden Dogmen entwickelt. Jesus hat nicht das Christentum als religiöses System erfunden. Er war nicht der Schöpfer einer Ideologie, die andere verunglimpft. Jesus war kein Fanatiker. Hier liegen das Geheimnis der Inkarnation und die Voraussetzung für jede missionarische Begegnung. 
Wir als Christen können hoffen, es aber nicht erzwingen, dass Muslime die Exegese ihrer heiligen Schriften überdenken, sie die "gewaltschwangeren Texte" neu interpretieren und die friedlichen Absichten des Islam zum Vorschein bringen, wo auch immer die im Koran und in der Hadith zu finden sind. 

Was wir aber gemeinsam lernen können ist – einfach Mensch werden. Apologetische Hetze und Unterstellungen werden das Verhältnis zwischen Christen und Muslime nicht verbessern helfen. Uns einander die unterschiedlichen Lehren von Koran und Bibel um die Ohren zu hauen, wird uns nicht weiterbringen. Wir müssen lernen, einander als Menschen zu begegnen. So beginnt jeder respektvolle Dialog. Meine Erfahrungen in einem muslimisch geprägten Land sagen mir, dass nur Menschlichkeit, Freundschaft und gemeinsame Verantwortung für die Gesellschaft uns einander näher bringen. Diese Nähe ist die Grundlage für den fruchtbaren, auch kontroversen Dialog, auf dem das Zeugnis von Jesus Christus seine Wirkung entfaltet.
Bildnachweis und Hintergrundinfos: http://www.parismatch.com/Actu/Societe/Lassana-le-heros-de-Vincennes-686818

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