Mali | erneut islamistische Terroranschläge und eine neue Strategie

Neue terroristsche Anschläge im Zentrum Malis
In Tenenkou, einer Stadt im Westen Moptis (Zentralmali, ca. 500 km von Bamako entfernt) wurden zwei Soldaten der malischen Armee getötet. Der Angriff erfolgte am frühen Freitagmorgen. Bereits letzte Woche hatte es mehrere Anschlagsversuche gegeben, die aber vereitelt werden konnten und glimpflich ausgingen. Die Terroristen gehören der radikalen MUJAO (Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika) an. Es ist immer das gleiche Bild. Die islamistischen Kämpfer sind militärisch gut geschult und ausgerüstet. Sie schleichen sich in der Dunkelheit der Nacht mit ihren PickUps in der Weite des Sahel an und beziehen Position in der Nähe ihrer Anschlagsziele. Die Attacken erfolgen meist in den frühen Morgenstunden. Die lauten Allah-ouh-Akbar-Rufe sind dabei nicht zu überhören. Sprengsätze gehen hoch. Schusssalven werden abgefeuert. Schwarze Fahnen werden gehisst oder wehend auf den Straßen präsentiert. Manchmal bleiben die Bärtigen für ein paar Stunden, Tage und ziehen wieder ab, bis zum nächsten Überfall. Zurück bleiben Angst und Schrecken und meist auch Opfer. 
Bei der Attacke gegen Tenenkou reagierte die malische Armee zunächst zu spät. Doch danach wurde das Feuer eröffnet. Bei dem Gemetzel starben zwei malische Soldaten. Unter den Angreifern gab es wohl sechs Tote. Mehrere wurden gefangen genommen, so die offizielle Version der Regierung. Augenblicklich herrscht Ruhe in Tenenkou. Zum Zeitpunkt der Attacke waren wir in Bougouni (Süden von Bamako). Der in Tenenkou stationierte Pastor unseres befreundeten Gemeindebundes nahm telefonisch Kontakt zu seinen Kollegen und Präses des Gemeindebundes in Bougouni auf, die dort zu einer Fortbildung zusammen gekommen waren. „Die Bewohner haben sich diszipliniert verhalten und sind in ihren Häusern geblieben“, so der Kollege. Die Rebellen sind vorerst abgezogen. Doch die Angst ist geblieben. Die Bevölkerung bittet die Regierung um militärische Verstärkung. Die Motive der Unruhestifter sind unterschiedlich. Neben islamistisch orientierten radikalen Gruppen gibt es politisch motivierte Rebellen und auch Drogen Handelnde Banditen. 

Neue Strategie der zwei Fronten
Das Vorgehen der Islamisten verrät eine neue Strategie. Im hohen Norden werden die Stellungen der MINUSMA (internationale Schutztruppe) attackiert. Bomben werden gelegt und Militär- und Transportfahrzeuge in die Luft gesprengt. Gleichzeitig lösen sich einige Kampftrupps der Islamisten und stoßen in Dörfer und kleinere Städte im Zentrum des Landes vor, um dort Chaos zu verbreiten und gegen die weniger gut ausgerüsteten Posten der malischen Armee vorzugehen. Zurück bleibt ein Gefühl der Ohnmacht und der Unsicherheit. Ein konkretes Beispiel: Am Samstagmorgen wurde unmittelbar nach dem Überfall auf Tenenkou ein Militärposten der MINUSMA in Kidal (Hauptstadt der nördlichsten Region in Mali) Opfer einer gezielten terroristischen Attacke. Es kam zum Schusswechsel, bei dem ein Soldat aus dem Tschad ums Leben kam. Auch unter den Islamisten gab es Verluste. In der Region Tenenkou kam es in den letzten Tagen zu mindestens 5 Attacken. Sicherlich sind die Anschläge auch dazu angetan, den Verhandlungsführern in Algier Druck zu machen und den Verlauf der "Friedensverhandlungen" zu beeinflussen. 
Das Signal der Terrorbanden ist klar: Leute, wir sind überall. Wir können jederzeit zuschlagen – trotz Armee und Schutztruppen. 


Die Unsicherheit bleibt
Die Regierung in Mali konstatiert lediglich den Zustand und bedauert Opfer. Doch eine eigene Strategie gegen den Terror hat sie nicht. Die malische Bevölkerung ist verunsichert. Das war den Gesichtern unserer Pastorenkollegen, mit denen wir letzte Woche in Bougouni zusammen waren, deutlich abzulesen. Das Vertrauen in die Schlagkraft der eigenen Armee ist gleich Null. Gleichzeitig wächst das Misstrauen gegenüber Frankreich, dem man eine Doppelstrategie vorwirft - Kampf gegen Terrorismus und gleichzeitig Förderung der Autonomie der Tuareg im Norden Malis. Am Wochenende ist es zu einem militärischen Konflikt zwischen untereinander zerstrittenen Rebellengruppen in Tabankort gekommen. Dieser strategische Ort liegt 200 km nördlich von Gao an der Straße nach Kidal. Die Gruppe der MAA (Arabische Bewegung des Azawad) steht loyal zur Zentralregierung in Bamako. Ihre Gegner sind die MNLA (Bewegung zur Befreiung des Azawad) und die HCUA (Hoher Rat der Einheit des Azawad). Beide Gruppen kämpfen für die Autonomie des Nordens. Neben der allgemeinen Bedrohung durch die Islamisten trägt auch die Zerstrittenheit der am Verhandlungstisch in Algerien vertretenen Gruppen zur Verunsicherung bei. Der Friedensprozess wird aufgehalten und die Gespräche werden erschwert. Christen können nicht zu den Waffen greifen. Aber sie können beten und in der Öffentlichkeit für Religionsfreiheit und Frieden eintreten.

Pressefreiheit als Provokation
In einem Statement eines Anführers der radikalen Gruppen hieß es auf einer malischen Internetplattform: „Wir protestieren mit unseren Attacken gegen den Präsidenten des Landes, der in Frankreich während der großen Kundgebung in Paris den Islam in den Schmutz gezogen und den Propheten beleidigt hat“. Der malische Präsident hätte zu Hause bleiben und sich auf die Seite des Islam stellen sollen, statt den Westen und seine Werte zu unterstützen. - Dieses Argument dient natürlich als Alibi für erneute Anschläge. 
Die letzten Attacken in Mali sind auch ein Hinweis auf den unverantwortlichen Umgang mit der Pressefreiheit. Der wohl bekannteste Imam in Mali Ousmane Chérif Haidara betonte in Bezug auf die Teilnahme des malischen Präsidenten an der Kundgebung in Paris: "Mir tut IBK (Kürzel des malischen Präsidenten) leid, er hatte keine andere Wahl!" Papst Franziskus hat in einer Verlautbarung die Pressefreiheit als hohes Gut hervorgehoben, aber gleichzeitig betont: "Die Pressefreiheit gibt uns nicht das Recht, den Glauben der anderen zu beleidigen." Nicht jede Handlung, nicht jede Veröffentlichung ist sinnvoll, auch wenn sie vom Recht gedeckt sind. Gestern fand am Platz der Unabhängigkeit in Bamako eine Demonstration gegen die Redakteure des Satiremagazins Charlie Hebdo statt, die erneut Karikaturen von Mohammed (psl) abgebildet hatten. Ähnlich kritisch war die Haltung in den westafrikanischen Nachbarländern. Im Senegal wurde der Verkauf von Charlie Hebdo verboten. Die Stimmen der Malier zu den Attentaten in Frankreich sind einerseits sehr eindeutig: Wir sind gegen Terror. Wir vertreten einen friedlichen Islam. Wir stehen ein für Pressefreiheit. Auf der anderen Seite lassen die muslimischen Führer des Landes verlautbaren: Jede Freiheit hat ihre Grenzen. Die Grenze ist da überschritten, wo sie willentlich und provokant die Religion des Anderen lächerlich macht. – So denken in Mali nicht nur Muslime, sondern auch viele Christen. Da zornige Muslime und Jihadisten nicht zwischen säkularer westlicher Politik, deren Werte und Christentum unterscheiden, werden sich ihre Attacken nicht nur gegen westliche Einrichtungen wie z.B. Kulturzentren und Botschaftsgebäude richten. Ihr Zorn wird sich auch auch im Anzünden von Kirchen und in handfesten Protesten gegen Christen äußern. Im Niger brennen bereits einige Kirchengebäude (Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/karikaturenprotest-in-niger-wuetende-muslime-zuenden-kirchen-an-13376062.html). Die gewaltsamen Demonstrationen haben im Laufe des gestrigen Tages bereits 10 Todesopfer gefordert. 20 Kirchengebäude wurden angezündet. Im Niger haben die Mohammed-Karikaturen das Fass permanenter Spannungen zwischen Muslimen und Christen sowie innenpolitischer Probleme zum Überlaufen gebracht. Die Übergriffe lagen schon länger als potentielle Gefahr in der Luft. Im Niger gibt es eine starke muslimische Fraktion traditioneller Wahhabiten. 
Es ist sicher richtig: Gewalt ist nie eine adäquate Methode der Meinungsäußerung. Die, die sie anwenden diskreditieren sich selber. Dennoch ist die standardmäßige Verurteilung von Gewalt im aktuellen Kontext zu einseitig. 
Gleichzeitig muss an die Verantwortlichkeit der Medien appelliert werden, mit der Pressefreiheit sensibler umzugehen. Nicht die zynische Satire, die im Namen eines verkappten Atheismus daherkommt und das Religiöse lächerlich macht ist das entscheidende Symbol unserer westlichen freiheitlichen Kultur. Vielmehr ist Freiheit gekoppelt an Verantwortungsbewusstsein und Respekt vor dem Andersdenkenden, selbst vor dem Religiösen. Es ist die mangelnde Empathie, das Fehlen von Achtung und die einseitige Betonung der Meinungsfreiheit, die den Redakteuren von Charlie Hebdo und Konsorten vorzuwerfen ist. Dass sich die Fronten zwischen den westlichen und orientalischen Kulturen möglicherweise weiter verhärten und die radikalen Kräfte an Zuwachs gewinnen, das wäre dann auch die Folge verantwortungslosen Journalismus. 
Auf Biegen und Brechen zu provozieren und gerade jetzt erneut eine Mohammed-Karikatur zu veröffentlichen ist einfach nur idiotisch. Auf diese Weise wird der Westen den Rest der Welt nicht vom Wert der Freiheit überzeugen können. Der Protest war vorhersehbar. Die Vorgehensweise der Journalisten im Westen ist teilweise kindisch und in der aktuellen Situation allemal verantwortungslos. Sie schürt nur weiter den weltweiten Zorn der Muslime. Sie liefert den radikalen Muslimen nur weitere Argumente, die diese wie bei den letzten Anschlägen in Mali und den Protesten in Westafrika als Vorwand benutzen, um ihre Taten zu rechtfertigen. Unschuldige werden so zu Märtyrern der Dummheit anderer, die mit ihrer Freiheit verantwortungslos umgehen. 

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