Mission | Partnerschaft in der Weltmission und der sanfte Rückzug


Partnerschaft gestaltet sich in klassischen Pioniersituationen, wo eine Arbeit von Null aufgebaut wird, anders als in Situationen, wo westliches Personal eingeladen wird, sich als Mitarbeiter in schon bestehende Strukturen einzugliedern. In der Pioniersituation sind visionäre Initiativen gefordert. Innerhalb bestehender Strukturen sind Begleitung und gabenorientiertes Arbeiten erforderlich. Die missionarische Gemeindearbeit der Allianz Mission in Mali startete Ende der 1989 Jahre. Es war eine Pionierarbeit, die in Abstimmung mit der Ev. Allianz gestartet wurde. Malische Mitarbeiter und Pastoren wurden von Anfang an in die gemeinsame Arbeit integriert. Bereits 1992 haben wir gemeinsam entschieden, dass es einen eigenständigen Gemeindebund geben soll. Im Jahre 2002 wurde der Bund dann selbständig und als Körperschaft vom malischen Staat anerkannt. Im Laufe der Jahre ist ein selbständiger Gemeindebund von 30 Gemeinden entstanden, der heute von 17 malischen Pastoren betreut wird.
Anfang der 2000er Jahre habe ich mir in Mali folgende Frage gestellt: Wie soll sich ein Missionar verhalten, wenn er in einer Pioniersituation entscheidende Impulse gegeben und die Strategie vorgezeichnet hat, wenn er als Vertreter der Missionsgesellschaft Präsenz gezeigt, visionären Einfluss ausgeübt und mitunter unpopuläre Entscheidungen getroffen hat und jetzt die Zeit gekommen ist, sich zurückzunehmen? Mein persönliches Stichwort an dieser Stelle lautet: sanftes Moratorium. Moratorium (Aufschub, Abwarten, Rückzug, Gewähren von Entwicklungsspielräumen) ist ein Begriff, der sich in der Missionsgeschichte seit den 1960er und 1970er Jahren etabliert hat. Er bezeichnet den Wunsch der Gemeinden und Partner des globalen Südens, die Geldzahlungen aus dem Westen und die Entsendung von Personal zunächst einmal aufzuschieben oder auszusetzen. Angesichts der Überlagerung der Missionsarbeit durch westliches Geld und die Bevormundung der Missionare war und ist dieser Wunsch voll und ganz nachzuvollziehen. Vielmehr sollten lokale Initiativen entstehen und die Gemeindestrukturen selbständig werden. Man brauchte Luft zum Atmen und Zeit, auf eigenen Beinen zu stehen. 

Sanftes Moratorium heißt: Ich initiiere zum gegebenen Zeitpunkt meinen eigenen Rückzug. Ich nehme bewusst meinen Hut und ziehe mich aus verantwortlichen Positionen zurück mit dem Ziel, die einheimischen Partner zur Übernahme von mehr Verantwortung herauszufordern.

Meine Erfahrung zeigt mir, dass irgendwann der Punkt erreicht ist, wo es gut ist, sich selber als Pionier, Visionär und Strukturgeber zurückzunehmen – nicht länger auf Entscheidungsebene mitzuwirken, die eigenen Impulse zurückzuhalten und stattdessen die einheimischen Partner „machen zu lassen“. Es ist wichtig, diesen Zeitpunkt möglichst nicht zu verpassen oder zu lange hinauszuzögern. Ich habe versucht, diese Haltung in der Zusammenarbeit mit den Gemeinden konsequent umzusetzen. Wenn Arbeiten anlässlich eines Deutschlandaufenthaltes zu übergeben waren, bin ich nicht mehr in die gleiche Arbeit oder in die gleiche Funktion zurückgekehrt. Als Vertreter der Allianz Mission in Mali habe ich im Jahre 2003 auf den Direktorposten verzichtet und mich aus der nationalen Kirchenleitung zurückgezogen, der ich qua Amt angehörte. Eine weitere Folge war der Rückzug aus den Gremien der regionalen Gemeindebezirke (Distrikte). Stattdessen habe ich den Gemeindepastoren lediglich angeboten, auf lokaler Ebene weiter in den Gemeinden zu predigen und Gemeindegründungsprozesse zu begleiten. Das hat bis zu unserer Rückkehr nach Deutschland im Jahre 2006 gut funktioniert. Im Verhältnis zu den Gemeinden galt für mich von da an: Nicht mehr initiieren, sondern begleiten. Ich habe meinen Arbeitsschwerpunkt auf die überkonfessionelle (d.h. alle Gemeinden Malis einschließende) theologische Ausbildung verlagert. 
Vor vielen Jahren fragte ich einen malischen Freund: Welche Eigenschaften sollte ein Missionar aus dem Westen haben? Was sind deine Vorstellungen?
Er sagte mir: „Ich wünsche mir Leute, die sie selber bleiben und die Dinge in ihrem Zusammenhang verstehen, Leute, die es wagen, Entscheidungen zu treffen und dazu stehen, auch wenn sie sich dabei mal unbeliebt machen oder Missverständnissen ausgesetzt sein können. Ich wünsche mir Missionare, die sich ganzheitlich engagieren, im materiellen und sozialen Bereich und auch im geistlichen. Ich bevorzuge Missionare, die eine langfristige Vision verfolgen, die mehrere Bereiche des gemeindlichen Lebens abdeckt." Die in der Äußerung enthaltenen Leitgedanken finde ich bis heute überzeugend und ich habe sie mir während der letzten Jahre immer mal in Erinnerung gerufen.
Es ist verständlicherweise schwer für einheimische Partner nachzuvollziehen, dass ein Missionar, der in einer Pionierphase „Entscheidendes zu sagen“ hatte jetzt nur noch ein normaler Mitarbeiter, ein Begleiter und Bruder sein möchte. Das nimmt man ihm nicht so ohne Weiteres ab. Es gibt an dieser Stelle Ängste, der Einfluss könnte wieder aufflammen und die eigenen Standpunkte überlagert werden. Einheimische Partner müssen an dieser Stelle lernen, dass der Missionar nicht an seinen Positionen festhält, sondern bereit ist, sich rauszuhalten und dabei auch noch glücklich ist. Und der Missionar muss Standhaftigkeit beweisen und sich nicht in Rollen hineindrängen lassen, wo sein Einfluss als Geldbeschaffer, Strategiegeber, Big Brother und „Colt für alle Fälle“ instrumentalisiert und damit missbraucht wird.  

Begleitung und Förderung durch Bildung sind wichtiger als das Mitmischen in offiziellen Gremien.

Nicht mehr „entscheidend“ eingreifen zu können bedeutet nicht: Jetzt ist der Missionar arbeitslos! Es gibt genügend Bereiche, innerhalb und außerhalb bestehender Strukturen, wo es Bedarf an Visionen, Pioniergeist sowie frischen Ideen und Strategien gibt, z.B. im Bereich Sport und Gemeinde, Ausbildung, Betreuung von AIDS-Kranken u.a. Auch der Aufbau einer theologischen Ausbildungsstätte gehört dazu, wo Leute für ihre Tätigkeit in Gemeinden, im Lehrdienst und in der Gemeindegründungsarbeit ausgebildet werden. Hier agiert der Missionar im Verhältnis zu den Gemeindeverbänden im zweiten Rang. Er steht im Hintergrund, damit Multiplikatoren gefördert und begleitet werden, die in Gemeinden die „Politik mitbestimmen“ und in der Gesellschaft Akzente setzen können.

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