Erzbischof an der Seite der Unterdrückten | vor 33 Jahren starb Oscar Romero



Vor 33 Jahren wurde am 24. März 1980 Oscar Romero in El Salvador in einer Krankenhauskapelle am Altar während einer Messe von einem Handlanger der Armee, die durch einen Putsch an die Macht gekommen war, kaltblütig ermordet. Das Denken und Leben von Romero zeigt, wie sich eine Theologie mitten im Leben, geprägt durch konkrete Erfahrungen, entwickelt und verändert. 
Zunächst war er Sympathisant einer eher konservativen katholischen Theologie, die wenig Kritisches zu sagen wusste gegen die soziale Ungerechtigkeit in El Salvador. Erst durch den Tod eines befreundeten Priesters, der sich an der Seite der armen Bevölkerung für politische Freiheiten und gegen soziale Unterdrückung eingesetzt hatte, änderte sich Oscar Romeros Theologie hin zur Befreiungstheologie. Seit dieser Erfahrung stand er konsequent auf der Seite der Armen und Unterdrückten. Durch Predigten, öffentliche Auftritte und Radiosendungen wurde er zum Sprachrohr für Gerechtigkeit – und zum Feind der Mächtigen, der Politiker und der Armee. Unter den Armen und Kirchenmitgliedern gab es nicht wenige, die seine „friedliche Revolution“ angesichts der vielen Opfer nicht immer nachvollziehen konnten. Doch Romero blieb seiner Theologie treu. Insgesamt kamen bei den Übergriffen bei Razzien und Demonstrationen etwa 75.000 Salvadorianer ums Leben. Mehr als eine  Millionen haben als Flüchtlinge ihr Land verlassen. Romero scheiterte mit seinem Versuch einer friedlichen Transformation der Gesellschaft. Seine Anhängerschaft spaltete sich, weil Romero nahe stehende Personen in der Junta es nicht vermochten, die Gewalt gegen die Bevölkerung einzudämmen. Das Beispiel dieses vorbildlichen Bischofs und Theologen zeigt, dass es wichtig ist, seinen Überzeugungen treu zu bleiben, auch wenn sie Kritik hervorrufen und keine schnellen, vorzeigbaren Erfolge zeitigen. Romero fiel schließlich seinem glaubwürdigen Zeugnis zum Opfer und er ließ sein Leben in dieser unruhigen Zeit …
Romero ist für mich ein Beispiel dafür, wie Theologie und Leben zusammen gehören. Es war ein Lebensstil der Inkarnation, nahe am Menschen, bereit zum Opfer und zur Kompromisslosigkeit. Er ist auch ein Beispiel dafür, dass der Kontext des Lebens wichtig ist für eine Theologie, die wie Jesus zum Menschen kommt (Joh 1,14).
Im lateinamerikanischen Kontext ist nicht nur die Befreiungstheologie entstanden, sondern auch die sozialtransformatorischen Ansätze der radikalen Evangelikalen, die sich seit Ende der 1960-er Jahren Raum verschafften und seit den 1980-er die Debatte innerhalb der Lausanner Bewegung befruchtet haben. Die in Deutschland kontrovers diskutierte Transformationstheologie ist ein Enkelkind dieser Entwicklungen.
Romeros Theologie war radikal, konsequent und ganzheitlich. Theologie ist nicht unpolitisch, so formuliert er in einem seiner Hirtenbriefe als Erzbisch seines Landes, aber auch nicht parteipolitisch oder prinzipiell systemkritisch. Aber sie mischt sich ein in das gesellschaftliche Leben. Die Kirche setzt sich dafür ein, dass Gerechtigkeit nicht nur geistlich interpretiert, sondern auch ganzheitlich umgesetzt wird. Sie tut das mit friedlichen Mitteln und auf der Seite derer, die unter den Mächtigen zu leiden haben. Romero hat sich von gegen das Regime agierenden gewaltbereiten Mitstreitern nicht von seinem Kurs abbringen lassen. Befreiungstheologen favorisieren eine Kirche, die basisdemokratische Prozesse fördert, sich für politische Befreiung einsetzt, sich von Machtpositionen distanziert und von dem Ruf, Komplize der Mächtigen zu sein. Einige der Befreiungstheologen haben dem sozialistischen Gesellschaftssystem mehr Sympathien entgegengebracht als dem kapitalistisch westlichen. Und bei der soziologischen und historischen Analyse war vielen die marxistische dialektische Perspektive eine Hilfe.

Die befreiungstheologischen Ansätze wurden aus diesem Grund im Westen am „grünen Tisch der theologischen Debatte“ seziert und mitunter der marxistischen Unterwanderung bezichtigt. Außerdem habe sich die Ethik hier unerlaubterweise zur Mutter der Theologie aufgeschwungen. Das war den Dogmatikern des Westens natürlich ein Dorn im Auge.  Und - zu materialistisch und diesseitig sei diese Befreiungstheologie. Es ist richtig, dass die Befreiungstheologie, wie alle anderen theologischen Ansätze und deren philosophischen Hintertreppen auch, kritisch beleuchtet und anhand des biblischen Zeugnisses eventuell revidiert werden müssen.
Dennoch mag ich diese distanzierten Debatten nicht mehr. Ich finde sie unglaubwürdig und angesichts von Menschen wie Romero, die wegen ihrer konsequenten Theologie und ihres Lebens an der Seite der Armen erschossen werden, fast schon verlogen. Es greift viel zu kurz, die Theologie eines Menschen lediglich nach „hermeneutischen Schlüsseln“ zu beurteilen, und das glaubwürdige, aufopferungsvolle Leben dieser Leute dabei zu vernachlässigen.

Romero und alle anderen, die ihre Theologie mitten im Leben formulieren und reifen lassen, ihnen gebührt unser Respekt. Sie sind nah am Herzen Jesu und an den Menschen. Und es sind gute Theologen unter ihnen. Aber ihre Theologie profiliert sich nicht auf Konferenzen und in Hörsälen und sie heizen die Debatte nicht durch theologische Aufrufe und Erklärungen an, sondern bringen uns vor allem durch ihr Leben zum Nachdenken. 

Menschen wie Romero zeigen: Gott macht sich stark für die Schwachen. Und dies geschieht nicht in erster Linie durch theologische Artikel und mitleidige Arrangements, wo viel Wirbel gemacht und wenig verändert wird. Auf göttlich motiviertes, nachhaltiges, solidarisches Engagement kommt es an, das auch darauf abzielt, unbequeme Wahrheiten zu sagen, das Evangelium zu verkündigen und im Staub und den Spannungen der konkreten Lebensumstände mit Menschen unterwegs zu sein, mit ihnen zu leiden und ungerechte Strukturen zu verändern.

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