Mut ist, dahin zu gehen, wo andere fliehen.

Mit verschiedenen Slogans zum Thema Mut wirbt das katholische Hilfswerk MISERIOR für seine entwicklungspolitischen Projekte in den Ländern der Zwei-Drittelwelt. Diesmal stehen nicht Bilder von verhungernden Kindern, von Dürre geplagten Landstrichen, AIDS-Kranken und kaputten Infrastrukturen im Vordergrund.  
Gefragt sind diesmal Akteure. Menschen, die den Mut haben zu bleiben, wenn andere gehen. Dahin zu gehen und Solidarität zu zeigen, wo Menschen ihre Heimat und Rechte verlieren und vor Unterdrückern und Katastrophen auf der Flucht sind. Manchmal werden aber Helfer selber zu Flüchtlingen. Der Slogan ruft sicherlich nicht auf zu einem automatisierten, blinden Ja, das alle Sicherheitsmaßnahmen ignoriert, die in von Kriegen heimgesuchten Regionen zu beachten sind. Dies hätte zur Folge, dass man sich verantwortungslos und pespektivlos in Gefahr begibt. Wenn z.B. die Gefahr von Entführung von Europäern besteht, dann wird nicht nur das Leben der betroffenen Familien gefährdet, sondern die gesamte Arbeit in Mitleidenschaft gezogen. Von daher ist es nachvollziehbar, wenn Mitarbeiter von Entwicklungshilfeorganisationen oder Missionsgesellschaften ihre Familien in Sicherheit bringen oder sich vorübergehend an einen sicheren Ort zurückziehen, weil ihr Leben bedroht ist oder unübersichtliche Engpässe auftreten. 
Mut ist, dahin zu gehen, wo andere fliehen - so lautet ein Sprichwort aus Burundi. Die intendierte Herausforderung ist eine zweifache: Dahin gehen, wo anderen der Boden zu heiß ist und Helfer gerade ihre Koffer packen. Und - dahin gehen, wo Menschen zu Vertriebenen, zu Flüchtlingen geworden sind.
Ich verstehe das Sprichwort zunächst als eine überlegte, prinzipielle Einsicht, die die Gestaltung meines Lebens beeinflussen soll - als eine Lebensweisheit.
Der Satz spiegelt den Kern des Evangeliums Jesu und seiner Botschaft vom Reich Gottes. Es spiegelt das Wesen Gottes.
Gott ist ein handelnder Gott, nicht einer, der nur Gegenstand von Worship und Bekenntnissen ist. Gott ist nicht nur Objekt meines Glaubens. Er ist seine Mitte, der Motivator, der Vorausgeher, der Mutmacher. Mitten in den Nöten der Welt zeigt Gott Flagge, bekennt er Farbe, schwimmt er gegen den Strom, atmet er den Staub des Lebens, wandert er im heißen Wüstenwind. Er geht mit ins Exil, mit seinen Leuten. Jesus, der Sohn Gottes, ist der Vertriebene, der Kritisierte, der Ausspionierte und Opfer von Intriegen. Und am Ende? Am Ende ist Jesus beides: ein aus Jerusalem getriebener, gegeiselter Flüchtling und gleichzeitig einer, der um seine Mission weiß, und sich wissentlich an den Ort schleppt, wo man ihn hinrichten wird. Ans Kreuz geht er, weil er den Mut hatte, dahin zu gehen, wovor andere fliehen.
Gott geht mit. Er geht bewusst mit an den Rand, in die materielle und geistliche Dürre der Menschen, zu den Benachteiligten.
In Jesus Christus hat Gott gezeigt, dass er sich denen zuwendet, die keine Stimme haben.
Reich Gottes hat Jesus verkündigt. Und er hat gesagt: Mit mir ist das Reich Gottes schon angebrochen. Nicht von dieser Welt ist sein Reich und doch mitten in ihr. Jesus geht nach vorne. Er nimmt Land ein. Er setzt Kontrapunkte, Doppelpunkte und Ausrufezeichen – aber er setzt keine Schlusspunkte, Schlusspunkte der Flucht und der Resignation.
Menschen, auf die andere mit Fingern zeigen, die nimmt er in den Arm. Solche, die von anderen beschimpft und verurteilt werden, für die macht er sich stark. Jesus geht hin, er flieht nicht.  
Nachfolge Jesu erfordert Mut. Mut zur Offensive. Mut zur Lücke. Mut, die Motive meines Handelns zu überprüfen. 
Auch Theologen können fliehen, in ihre akademische Welt, in komplizierte Fragestellungen, die kaum jemanden interessieren, in die Sicherheit ihrer anerkannten Programme, in ihre ambitionierten Pläne,  die, wenn sie in Erfüllung gehen, Ehre, Anerkennung und gute Kritiken bringen.  
Theologen gehen, wenn sie nicht nur von einer „Theologie mitten im Leben“ reden, sie theologisch begründen und lehren. Theologen gehen, wenn sie zu den Menschen am Rand gehen, an Orte, wo andere schon längst Reißaus genommen haben. Dort enstehen die Fragen, die Theologen aufnehmen und in der Gegenwart Gottes bedenken. Gott wünscht sich Anbeter, Theologen, deren Theorien Anstoß zum Handeln geben und Akteure. Und dazu braucht es Mut dahin zu gehen, wo andere fliehen. Das Sprichwort ist nicht nur eine Lebensweisheit. Es beinhaltet eine unbequeme Herausforderung. Denn - es braucht Mut, den Komfortzonen zu entsagen, die alltägliche Routine zu hinterfragen, gedanklich und praktisch auf Reisen zu gehen.

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