Faktor C | Gibt es eine Hierarchie der Geistesgaben?



Gibt es Gaben, die bedeutsamer sind als andere?

Wir neigen im westlichen Kontext dazu, den Leitungs- und Wortgaben eine höhere Bedeutung beizumessen als den Dienst- und Zeichengaben. Eine Lehr- oder Auslegungspredigt ist in Gemeinden eher angesehen als das Gebet zur Befreiung von okkulten Belastungen, die Kanzel ein bedeutsamerer Ort als die Nische, in der jemand gesalbt, ihm die Hand aufgelegt und ein Heilungsgebet gesprochen wird.
Worte benutzen wir, um zu lehren und die Gemeinde geistlich anzuleiten. Die Lehre entspringt einer gründlichen Reflexion. Das kognitive (denkerische) Arbeiten hat einen hohen Stellenwert. Leitung benötigen wir, um effektiv Ziele zu erreichen und alle Mitglieder eines Teams mitzunehmen. Die Dienstgaben (praktische Hilfe) spielen sich eher im Hintergrund ab. Und die Zeichengaben sind manchmal spektakulär und schwer einzuordnen.

Der in Eph 4,11 erwähnte fünffache Dienst hat aus meiner Sicht eine hohe Priorität. Apostel, Lehrer, Hirten, Propheten und Evangelisten vereinigen auf sich die wichtigsten Gaben und Aufgaben. Sie geben der Gemeinde die entscheidensten Impulse nach innen und nach außen.
Grundsätzlich denke ich, dass Gaben, deren Nutzen für die Mehrheit der Gemeinde klar nachzuvollziehen ist, einen höheren Stellenwert haben, als Gaben, die dieses Kriterium nicht erfüllen. Diese Einschätzung kann jedoch von Situation zu Situation unterschiedlich sein.

Paulus macht im korinthischen Kontext (1.Kor12-14) auf die unterschiedliche Bedeutung von Prophetien und Sprachenrede aufmerksam und legt für den gottesdienstlichen Rahmen in Korinth eine Reihenfolge fest: Prophetie vor Sprachenrede - und alles in Liebe zum Aufbau und Gelingen der Gemeinschaft.

1Kor 14,1-6:
1 Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber um die Gabe der prophetischen Rede!
2 Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist von Geheimnissen.
3 Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.
4 Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, der erbaut die Gemeinde.
5 Ich wollte, dass ihr alle in Zungen reden könntet; aber noch viel mehr, dass ihr prophetisch reden könntet. Denn wer prophetisch redet, ist größer als der, der in Zungen redet; es sei denn, er legt es auch aus, damit die Gemeinde dadurch erbaut werde.
6 Nun aber, liebe Brüder, wenn ich zu euch käme und redete in Zungen, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht mit euch redete in Worten der Offenbarung oder der Erkenntnis oder der Prophetie oder der Lehre?
23 Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen?
24 Wenn sie aber alle prophetisch redeten und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger hinein, der würde von allen geprüft und von allen überführt;
25 was in seinem Herzen verborgen ist, würde offenbar, und so würde er niederfallen auf sein Angesicht, Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig unter euch ist.
26 Wie ist es denn nun, liebe Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder einen Psalm, er hat eine Lehre, er hat eine Offenbarung, er hat eine Zungenrede, er hat eine Auslegung. Lasst es alles geschehen zur Erbauung!

Paulus behandelt das Thema ohne Angst und Hektik. Er nimmt die Fragen auf und zeigt einen nachvollziehbaren, gangbaren Weg, ohne den Wert einer Gabe an sich in Frage zu stellen. Der Text ist eindeutig in seiner Aussage. Paulus will lieber wenige verständliche Worte reden als viele Worte in einer für die Zuhörer befremdlichen Sprache. Besonders Nichtchristen und unreife Christen könnten irritiert sein. In der aktuellen Situation der Gemeinde in Korinth ist das prophetische Reden von größerem Nutzen als die Sprachenrede. Damit wird diese Gabe nicht abgewertet, sondern eingeordnet.
Es gibt jedoch Situationen, da tritt die Gabe der Heilung oder die Gabe der Dämonenaustreibung in der Seelsorge, in der Gemeinde oder bei einer evangelistischen Veranstaltung in den Vordergrund – ohne dass dadurch die Bedeutung der Wortgaben herabgestuft wird. Oder - wenn eine Gemeinde pastoral gut geführt wird, sie sich aber immer nur um sich selber dreht, dann sind die apostolisch und evangelistisch Begabten gefragt, die die Gemeinde neu an ihre missionarische Ausrichtung erinnern und ihr darin vorausgehen
In einem afrikanischen oder lateinamerikanischen Kontext, wo Geisterglaube zum Leben dazu  gehört, und wo Krankheiten auf okkulte oder dämonische Erfahrungen zurückgeführt werden, da muss eventuell die Predigt und Lehre zunächst hinter das Zeichen und Wunder zurücktreten. Das Wort muss dem Zeichen den Vortritt lassen, da sonst die Erweckung auf der Strecke bleibt und der missionarische Durchbruch nicht zustande kommt. Hier geht Erfahrung zunächst vor kognitiver Erkenntnis. 
In dieser Reihenfolge dient die Gabe der Heilung dazu, der Macht des göttlichen Wortes zum Durchbruch zu verhelfen. Durch die "laute Sprache" des geistgewirkten Wunders und die Anwendung der Zeichengaben werden der Anspruch Gottes und seine Macht bestätigt und der Weg zur Erkenntnis der Wahrheit des göttlichen Wortes vorbereitet. Die Anwendung der "außergewöhnlichen spektakulären Gaben" begleiten erweckliche Aufbrüche (vgl. Apg 2,1-10).
Aber letztlich soll eine Bewegung nicht in der Begeisterung über ein spektakuläres Wunder stecken bleiben. Christlicher Glaube ist nicht "phänomenorienitert", sondern christusorientiert. Menschen sollen Jesus begegnen, ihm nachfolgen. Sie sollen das Wort Gottes hören, es verstehen und im Glauben wachsen und es an andere weitergeben. Jesus selbst hat die Gefahr des "wundervollen Spektakels"  gesehen und sich darüber geärgert, wenn Leute seine Wunder gut fanden, aber den Anspruch seiner Worte ablehnten.  Trotzdem tat er nach wie vor Zeichen und Wunder, weil sie ein Zeichen des anbrechenden Reiches Gottes sind, ganz gleich, wie Menschen darauf reagieren.

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