TSR-Jahrbuch 2012 | Frauenpower – nein danke!?


Anmerkungen zu einem kontroversen Thema aus einer biblisch- systematischen  Perspektive 
Auszug aus dem gleichnamigen Artikel im TSR-Jahrbuch 2012 von Alfred Meier 
Das TSR-Jahrbuch 2012 kann online bestellt werden unter: http://www.tsr.de/ueber-uns/tsr-unterstuetzen/jahrbuch

"In kirchlichen Kreisen sind es meist die Männer, die sich zu der Frage äußern, welchen Beitrag Frauen in Gesellschaft, Familie, Ehe und Gemeinde leisten dürfen und welchen nicht. Dieser Aufsatz ist da keine Ausnahme. Aber es ist schon bemerkenswert, und gleichzeitig ein Zeichen dafür, dass Männer immer noch eine entscheidende Rolle für sich beanspruchen, wenn es um Fragen biblischer Lehre geht.
Die Frage nach der Stellung der Frau in der Gemeinde im Allgemeinen und insbesondere, was die Übernahme von Verantwortung in Gemeindeleitung, Lehre und pastoralem Dienst angeht, wird seit vielen Jahren über die konfessionellen Grenzen hinweg kontrovers diskutiert.
Die Gefahr einer die Gemeinden spaltenden hermeneutischen Grundsatzdiskussion ist durchaus gegeben. Der Vorwurf, diesen Sachverhalt betreffende Bibeltexte würden verdreht und einer „zeitgeistigen Interpretation“ unterworfen, ist nicht zu überhören. Andere dagegen werfen den konservativen Gruppen vor, sie würden durch die biblizistische Überbetonung des Wortsinns die Situations- und Kontextrelevanz biblischer Aussagen vernachlässigen.
 Wie gehen wir damit um?
Neben dem Bemühen um klare, biblisch verantwortbare Positionen ist es m.E. wichtig, dass in Gemeinden  zwar kontrovers diskutiert wird, es aber nicht zu einer Zerreißprobe kommen sollte. Erkenntnisse sind Stückwerk und die gegenseitige Rücksichtnahme ist ein grundlegendes Prinzip gelingender Gemeinschaft. Folglich gilt: Erkenntnisse zu haben ist eine Sache – diese mit Weisheit und Geduld umzusetzen eine andere.
 Die Realität in den meisten Gemeinden zeigt, dass Frauen verantwortliche Aufgaben in Lehre und Leitung der Gemeinde oder in Arbeitszweigen der Gemeinde übernehmen.
Sie übernehmen organisatorische und auch geistliche Leitungsfunktion in Hauskreisen, sie lehren Kinder in ihren Häusern und erklären Jungs und Mädchen biblische Geschichten im Rahmen der gemeindlichen Kinderarbeit. Viele Gemeinden sehen kein Problem darin, dass Frauen das Herrenmahl austeilen und damit offizielle Amtshandlungen durchführen, in der Gemeindeleitung mitarbeiten und predigen und damit eine Lehr- und Leitungsfunktion übernehmen. An theologischen Ausbildungsstätten werden Frauen zu Predigerinnen des Evangeliums ausgebildet. In Seminaren lernen sie, Referate zu halten und  biblische Lehre systematisch zu entwickeln und darzustellen.
Auf der anderen Seite wird den Frauen mit dem Hinweis auf einschlägige Bibelstellen Leitung und Lehre insbesondere von Männern untersagt. So dürfen in einigen Gemeinden Missionarinnen, die im Ausland lehren und Seminare halten, zu Hause nur „berichten und Zeugnis geben“.  
Frauen in unseren Ausbildungsstätten fragen sich: Warum lerne ich predigen oder Leitungsverantwortung wahrzunehmen, wenn ich es nachher nicht anwenden darf?

Meine These lautet:
Der in der Schöpfung angelegte verantwortliche Beitrag der Frau an der Seite des Mannes, die durch Christus verursachten positiven Veränderungen der Stellung der Frauen in Gesellschaft und Gemeinde sowie die vom Geist Gottes auch Frauen zugeteilten Gnadengaben ermöglicht es, Frauen in umfassendem Maße Leitungsverantwortung in der Gemeinde zu übertragen.
Lehre, Predigt und Leitung bezeichnen zwar unterschiedliche Funktionen, sind jedoch alle unter dem Begriff Leitungsverantwortung zu subsumieren. Wer lehrt, tut das im kirchlichen Kontext vorwiegend durch Predigt und Gesprächsführung; wer predigt, der leitet durch Verkündigung und Anleitung zum Leben als Christ. Wer leitet, der tut das u.a. indem er predigt und lehrt."

Diese These wird im Artikel des Jahrbuches begründet. Meine Absicht ist es, Position zu beziehen und nicht, eine theologiegeschichtliche Abhandlung zum Thema zu schreiben, wo alle Pro und Contras der Kirchengeschichte detailliert referiert und reflektiert werden.

 

Kommentare

  1. Das patriachalische Gottesbild ist eine Ursache für die Diskiminierung der Frau in vielen christlichen Gemeinschaften. Ein trinitarisches Gottesverständnis, in dem als entscheidenes Merkmal des Wesens Gottes Beziehung (Gemeinschaft, Liebe) deutlich wird, ist die Voraussetzung für die Sendung der Frau zur Verkündigung. Lasst uns mal über die trinitarische Theologie und die Rolle von Mann und Frau in der Sendung Gottes nachdenken.

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  2. Anonym18:46

    Habe mir vor Wochen das Jahrbuch zugelegt – erst mal herzlichen Glückwunsch zur Idee. Eine schöne Initiative, die sich sicher in den kommenden Jahren noch ausbauen lässt.
    Zu deinem Beitrag „Frauenpower“: DANKE für diesen Artikel! Ich bin ja keine gelernte Theologin – aber ich habe mich in den vergangenen 15 Jahren immer wieder intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und etliche Bücher – sowohl Pro/Contra als auch dazwischen (= nicht Fisch, nicht Fleisch :-) dazu gelesen. Meine Meinung ist natürlich laienhaft, aber ich sag’s trotzdem: Dein Beitrag gehört zum Besten, was ich in dieser Kürze je zum Thema gelesen habe. Toll zum Argumentieren und Weitergeben … da muss es nicht immer gleich ein fettes Buch sein.

    Eine winzige Mini-„Kritik“:
    Zum Schluss, also im Nachwort, ruderst du leider für meinen Geschmack aus gemeinde-friedens-technischen Gründen zu sehr zurück. Natürlich ist das ein schwieriges Feld, das man sensibel bearbeiten sollte. Aber ich finde nicht, dass dieses wichtige Thema weiterhin allein in der Verantwortung der Ortsgemeinden bleiben sollte, wo häufig theologische Laien (also geprägt von der Historie und Meinung ihres Bundes u. a.) das Sagen haben, sprich: Es so handhaben, wie es ihrer Gemeindetradition seit 150 Jahren entspricht. Ich finde, es ist die Verantwortung theologischer Profis wie dir – dazu ein Mann – zu diesem Thema mit biblischer Argumentation Stellung zu beziehen. Ich sehe leider selten (nie?), dass sich innerhalb der Gemeinden sonst etwas bewegt. Entweder es kommt zum Knall – und damit oft zur Spaltung (gerne dann auch „Gemeinde-Neugründung“ genannt) – oder es bleibt wie es ist. Ergo: Frauen dürfen Kinder- und Frauenstunde machen und mit viel Glück in die Lobpreisband – und das war‘s. Und wer als Frau predigen will, muss halt Frauenfrühstückstreffen machen oder als Missionarin ins Ausland (bis ein Mann auftaucht, um dort die Gemeinde zu übernehmen :-) …

    Wenn dem so ist, dass Frauen (mit den entsprechenden Gaben natürlich) von Gott in alle Dienste bis hinein in Leitungsfunktionen berufen sind, dann fügt die mangelnde Öffnung der Gemeinden für den Dienst von Frauen der Arbeit im Reich Gottes schweren Schaden zu (was ich persönlich glaube). Auf gut Deutsch: Der Bau des Reiches Gottes wird wortwörtlich um die Hälfte seiner Gabenträger und damit seiner Kraft beraubt. Was keine Kleinigkeit ist, über die man "aus Liebe zum Frieden" einfach hinwegbügeln könnte ...

    Ich wünsche mir einfach, dass besonders Männer (wenn Frauen was dazu sagen, klingt das immer nach: Naja, muss sie ja – sie ist ja ne Frau!), die zu diesem Thema theologisch fundiert etwas sagen können, das auch mutig tun.

    Das war’s schon. Wollte einfach nur Danke sagen. Bei mir hat deine Argumentations-Linie jedenfalls die letzten Zweifel ausgeräumt.

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