Malireise 2012 | Fragen zu Mali und unseren Motiven
Alfred, Du
bloggst regelmäßig über die Ereignisse in Mali, woher kommen deine Liebe und
dein Wissen zu dem Land?
Als
Familie haben wir von 1988 bis 2006 in Mali gelebt, sind mit dem Land und
seinen Leuten verbunden. Wir haben unsere Energie, unser visionäres Denken,
unsere Perspektiven und Liebe in die Menschen in Mali investiert. Mali ist für
uns nicht nur "missionarisches Einsatzgebiet". Es ist eine emotionale
Verbindung entstanden. Und uns ist das Schicksal der Menschen, die in einem der
ärmsten Länder der Erde leben nicht egal. Keine Aufgabe in Deutschland hat mich
bisher emotional, geistlich und strategisch so herausgefordert und zufrieden
gestellt wie das, was wir in Mali erlebt haben. Seit dem Staatsstreich vom März
2012 verfolge ich die frankophone westafrikanische Presse, telefoniere und
chatte mit ehemaligen Kollegen und Freunden im Land. Das sind die Quellen, aus
der meine Informationen stammen.
In
Deutschland verfolgen wir mit Sorge die Ereignisse in Mali. Wie schätzt du die
Lage ein?
In
der deutschen Presse tauchen ab und zu zusammenfassende Berichte auf. Die Lage
ist kritisch und verzwickt zugleich. Die Bildung einer Regierung der nationalen
Einheit, deren Mitglieder an einem Strang ziehen, um die enormen Probleme im
Land zu lösen, zögert sich hinaus. Wie überall auf der Welt suchen Politiker
ihren persönlichen Vorteil und sind vom Machtstreben geprägt. Dabei ist die
soziale Not durch Teuerung und Lebensmittelknappheit, durch Ernteausfälle und
den Rückzug maßgeblicher Investoren sehr groß. Hinzu kommt, dass das Land
faktisch geteilt ist. Die radikal islamistische Gefahr im Norden ist absolut
nicht zu unterschätzen. Somalia und Nordnigeria zeigen sehr plastisch, wie
salafistisch geprägter radikaler Islam das Leben der Menschen bedroht und prägt.
Nur die Einheit der Regierung in der Hauptstadt Bamako und der feste Wille der
westafrikanischen Nachbarn, der Afrikanischen Union und der UNO werden
letztlich dazu beitragen, die Terroristen in die Knie zu zwingen und für
nachhaltige stabile Verhältnisse zu sorgen.
Mali
war eine der ersten "muslimischen Demokratien" in Afrika. Besteht
überhaupt noch eine Chance, dass das so bleibt?
Die
Chancen für das Überleben der Demokratie in Mali stehen eigentlich nicht
schlecht. Hier bin ich relativ optimistisch. Denn der Druck der internationalen
Staatengemeinschaft ist groß. Sollte z.B. das Militär den Prozess der
Konsolidierung der demokratischen Institutionen (Präsident, freie Wahlen,
Nationalversammlung, Gerichtsbarkeit) stören, würde dies Wirtschaftssanktionen
und die zunehmende Isolierung des Landes zur Folge haben, mit negativen Folgen
für den sozialen Frieden im Land. Von daher besteht ein gewisser Druck von
außen, der sich hier vorteilhaft auswirkt.
In
Timbuktu steht das Weltkulturerbe in Gefahr, von den muslimischen Rebellen
zerstört zu werden. Wie ist die aktuelle Lage?
Die
Lage ist unverändert kritisch und die internationale Aufregung groß. Die
Bevölkerung wird gezwungen, sich unter die Scharia zu fügen. Vergehen werden
hart und konsequent bestraft. Die Leute fühlen sich von der Zentralregierung in
Bamako im Stich gelassen. Dies führt einerseits zu Protesten, andererseits
besteht die Gefahr, dass junge Leute sich den radikalen Kräften anschließen.
Schon heute sind massenweise Rekrutierungen auch von Kindersoldaten an der
Tagesordnung. Die Kids werden geködert, indem ihnen Bildung, medizinische
Versorgung und Unterhalt versprochen wird. Die Islamisten haben in allen
großen Zentren Nordmalis das Sagen. Die Tuaregrebellen sind zum großen Teil geflohen.
Die Gründe für die Zerstörung der alten Denkmäler liegen im Konflikt zwischen
salafistischem und sufistischem Islam begründet. Hier und da flammt ziviler
Widerstand auf. Junge Leute und Frauen gehen auf die Straße und protestieren.
Nicht selten geht dies mit Mord und Totschlag vonstatten.
Ihr
reist jetzt nach Mali. Was werdet ihr dort machen?
Christiane und ich werden während unserer zweiwöchigen
Reise nach Mali ehemalige Kollegen und Freunde treffen. Wir wollen hören, wie
sie unter den jetzigen Umständen leben und arbeiten. Wir wollen auf den Straßen
und Märkten die einfachen Leute treffen und sie fragen, was sie von den
Entwicklungen in Mali halten. Wir möchten einfach zuhören und gemeinsam beten
und so unsere Solidarität zeigen. Wir werden im Landesinneren auch
NGO-Mitarbeiter und Pastoren aus Gemeinden und Regionen treffen, die ziemlich
dicht am Einflussgebiet der Islamisten leben. Die meiste Zeit werden wir jedoch
in der Hauptstadt Bamako verbringen, Flüchtlinge, die ihre Heimat im Norden
verloren haben besuchen und an Gottesdiensten teilnehmen und predigen. An einer
theolog. Fachschule, die wir vor 10 Jahren gegründet haben und die seit
geraumer Zeit von einem afrikanischen Studienleiter geleitet wird, werde ich
einen Kurs in Missionstheologie unterrichten. Sehr gespannt sind wir auch
darauf, was Gott uns persönlich zeigen wird und welche Perspektiven sich
ergeben.
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